Auf Berufsjugendlicher zu machen, war nie unser Ding

Interview mit der Leipziger Band Die Prinzen

Erschienen in Sächsische Zeitung 11/2004

An den Litfasssäulen sind sie derzeit nicht zu übersehen, am Montag erscheint ihr neues Album „Hardchor“ und gerade stecken sie in den Proben für eine ausgedehnte Deutschlandtour – Die Prinzen sind aktiver denn je. Ein Interview mit Sebastian Krumbiegel und Henry Schmidt.

Jetzt mal ehrlich: Wie schmeckt „Freiberger“?
Sebastian: Es ist das beste Bier, was ich jemals getrunken habe! (lacht)

Gibts denn Handreichungen von der Brauerei, was ein „Freiberger“-Werbeträger im Idealfall sagen sollte?
Henry: „Sächsisch köstlich!“ Den Slogan haben wir von Gunter Emmerlich übernommen. Man muss aber sagen, die Leute sind sehr entspannt. Wir haben mit denen auch schon „Beck’s“ getrunken, weil nichts anderes da war. Es ist also nicht so, dass wir jetzt nie wieder etwas anderes trinken dürfen. Aber natürlich ist man dem Partner gegenüber loyal.

Auf eurer neuen Single gibt es ausgerechnet einen „Wodka Mix“. Das ist jetzt aber nicht sehr loyal.
Sebastian: Der ist entstanden, als Tobias im Studio irgendwann einfach mal anfing, russisch zu singen, weil er den Text vergessen hatte. Also so ein Pseudo-Russisch, bei dem wir uns alle weggeschmissen haben.

Habt ihr euch Gedanken gemacht, ob ihr überhaupt für Alkohol Werbung machen solltet?
Henry: Das war schon einiges Hin und Her, ob wir das machen können, gerade weil wir immer noch auch jüngeres Publikum ansprechen. Unter dem Strich fanden wir es aber okay. „Freiberger“ gehört ja zu einer Brauereifamilie die auch Leute wie Heiner Lauterbach und Ben Becker unter Vertrag hat. Da fühlen wir uns ganz gut aufgehoben.
Es hat natürlich auch den Hintergrund, dass unsere allergrößten Glanzzeiten mit millionenfach verkauften Alben ja schon ein paar Jahre zurück liegen. Was natürlich mit dem sowieso veränderten Musikmarkt zusammenhängt. Als uns die Leute damals die Bude eingerannt sind wegen irgendwelcher Werbeverträge, wollten wir das nicht, da hatten wir gar keine Meinung dazu. Und irgendwann schien es für uns alte Säcke damit vorbei zu sein. Aber es ist eben nicht vorbei!
Sebastian: Man hat in Deutschland immer das Gefühl, sich für so etwas entschuldigen zu müssen. Dieses Gefühl versuchen wir abzustreifen. Wir sind stolz drauf, dass die uns ausgewählt haben. Zumal es ja ein Geben und Nehmen ist. Ich seh das auch als eine Art Kultursponsoring, das sorgt dafür, dass die Karten auf unserer Tour nicht so teuer sind.

Eure Tour führt diesmal durch die Opern-, Theater- und Konzerthäuser. Geht man da anders heran als bei einer „normalen“ Tour?
Henry: Das war diesmal etwas ganz anderes. Normalerweise macht man ein Album und plant dann die Tour. Wir hatten letztes Jahr eine Benefizveranstaltung im Dessauer Theater und das war innerhalb weniger Wochen ausverkauft. Und tatsächlich saßen dann die Annzüge und Abendkleider im Saal, während wir gesungen haben. Das war eigentlich der Anstoß, so müsste man mal auf Tour gehen: Alle sitzen, keiner raucht.
Es ist dann aber auch eine neue Herausforderung, die Leute zwei Stunden zu unterhalten, ohne jetzt ständig von rechts nach links zu hüpfen. Und wieder von links nach rechts. Man muss da ein bisschen umdenken. Und das wirkte dann alles sogar auf das neue Album zurück, das wir ja akustisch aufgenommen haben.

Zurück zu den Thomaner-Wurzeln also?
Henry: Vieles bei den Prinzen basiert auf mehrstimmigem Satzgesang, den wir nun mal neun Jahre lang jeden Tag zwei Stunden gelernt haben. Da bleibt Einiges hängen. Von daher kann man das sicher so sehen. Aber es ist eben nicht Thomaner-Chor.
Sebastian: Das klingt immer so schön, wenn man sagt: „Back to the roots!“ Natürlich ist Singen mehr unsere Stärke, als Sequenzer rattern zu lassen. Aber ich finde, auch das neue Album rockt an einigen Stellen ganz schön. Du kannst auch mit akustischen Instrumenten Rock’n’Roll spielen. Balladen, a-capella – wunderbar! Aber im Tiefsten unserer Herzen mögen wir Rock’n’Roll, mögen wir, wenn es knallt.

Aber ein bisschen weniger jugendhaft gehts dann doch zu, oder?
Sebastian: Wir wundern uns manchmal selbst über uns, was wir auf der Bühne manchmal für Schwachsinn erzählen. Da können wir auch gar nicht anders. Aber natürlich sind wir erwachsener als vor 15 Jahren, auch, wenn wir immer noch ein wenig Chaoten sind. Ich bin immer peinlich berührt, wenn ich Leute treffe, die ich von vor 15 Jahren kenne, und die mit 35 immer noch in irgendwelchen finsteren Kellern sitzen und „Anarchie!“ schreien. Wir sind fast 40, Familienväter, da sind die Werte ganz anders. Du übernimmst Verantwortung, du bist ein anderer Typ als mit 20. Einen auf Berufsjugendlicher zu machen, war nie unser Ding. Wir sind so albern wie wir sind – aber auch so ernsthaft.

„Unsicherheit macht sich breit“, singt ihr auf eurer eben erschienen Single. Da fällt der Eindruck zwischen albern und ernsthaft nicht gerade eindeutig aus.
Sebastian: Das versuchen wir auch, den Leuten zu überlassen, wie die das sehen wollen. Ich finde es bescheuert, wenn man immer was erklären muss. Wir haben mal gesungen: „Weiß du eigentlich, was Popmusik kann? Sie ist tanzbar und regt zum Nachdenken an.“ Das ist, glaube ich, ein bisschen unser Credo. Das steht uns auch gut zu Gesicht, weil wir halt denkende Menschen sind. Auch politisch denkende Menschen.
Henry: Ich weiß gar nicht, ob „Unsicherheit“ ein politisches Lied ist. Aber es ist schon eine ironische Zustandsbeschreibung unserer Gesellschaft. Es wird überall gejammert und man merkt ja auch, wie viele Leute um ihren Arbeitsplatz kämpfen.

Ihr singt auf dem Album „Hardchor“ auch die Zeile: „Wir gehen Hand in Hand für diese Nation.“ Dafür würden andere Bands gesteinigt werden.
Sebastian: Ja. Deswegen haben wir es auch gesungen. Ich glaube, man kann das aus unserem Mund aber richtig interpretieren. Dass wir als Deutsche uns auf unsere kulturellen Wurzeln besinnen. Unsere Kultur hat ja mit den Nazis aufgehört, weil unsere besten Leute umgebracht wurden oder abgehauen sind. Marlene Dietrich, Comedian Harmonists, da sehe ich unsere Wurzeln als Popmusiker. Ich glaube, dass uns diese Kultur gut zu Gesicht steht. Nicht im revanchistischen Sinne, als „Wir sind die Größten“, sondern als Besinnung auf das Positive an unserer Geschichte.

In eurer Heimatstadt Leipzig haben 5,6 Prozent NPD gewählt, für gesamtsächsische Verhältnisse ein geradezu guter Wert …
Sebastian: Das ist peinlich. Wir haben ja nie ein Hehl daraus gemacht, dass wir mit so einer Sache überhaupt nichts anfangen können. Mir stinkt das einfach. Gerade was jetzt wieder abgegangen ist bei der Ministerpräsidentenwahl in Dresden, mit den zwei Stimmen zuviel für den NPD-Kandidaten. Das „Volk“ wird gerügt und ermahnt, weil es so rechtsradikal wählt. Und dann sitzen da „Volksvertreter“, die das auch unterstützen. Die haben doch den Schuss nicht gehört! Und man muss nicht besonders intelligent sein, um sich gegen sowas wehren zu wollen, wehren zu müssen.
Es war übrigens für die Leute von „Freiberger“ auch wichtig, dass wir in dieser Sache einen klaren Standpunkt haben, eine klare Meinung.

Dann dürfte „Freiberger“ ja jetzt einen mächtigen Umsatzeinbruch in der Sächsischen Schweiz erleben.
Sebastian: Das könnte sein. Das haben sie uns sogar gesagt: Wenn die zehn Prozent uns nicht kaufen, dann eben die anderen 90 vielleicht umso mehr. Auch, wenn es natürlich Unsinn ist, das so aufzuschlüsseln. Aber für mich war das schon interessant, dass das für die so ein wichtiges Thema ist.

Themawechsel, von einer Krise zur nächsten …
Sebastian: Musikindustrie!
… Eure Plattenfirma, die BMG, fusioniert mit Sony, alle zusammen sind dann in München und eure Berliner Abteilung existiert plötzlich nicht mehr.
Sebastian: Das hat uns Karl Marx schon in der Schule erzählt, da haben wir noch gelacht. Die Großen fressen die Kleinen und am Ende wird es nur noch eine Firma geben. Das ist schon ein Trauerspiel. Aber was solls. Was lernen wir eigentlich daraus? Dass wir unser Ding machen sollten. Dass wir viel live spielen.
Henry: Für Musiker ist es jetzt definitiv wichtiger, live zu spielen. Wir haben für uns verinnerlicht, dass heutzutage eine Art Luxus ist, ein schickes Album zu machen. Immerhin haben wir wenigstens vor kurzem noch einen guten Plattenvertrag ausgehandelt. Der wäre heute so nicht mehr möglich.

13 Jahre Die Prinzen: Kann man da noch miteinander?
Sebastian: Es würde gar nicht funktionieren, wenn wir aneinander leiden würden. Wir funktionieren auf der Bühne wunderbar und wir haben alle unser eigenes Leben. Das ist auch sehr wichtig, dass jeder sich zurückziehen kann, bei seiner Family sein Ding macht. Obwohl es schon witzig ist. Wenn du auf der Straße erkannt wirst, ist gleich die zweite Frage: Wo sind denn die anderen?
Henry: Wir sind halt auch jahrelang extrem als Gruppe wahrgenommen worden.
Sebastian: Ob wir Freunde sind oder nicht, dass ist ja irgendwie immer die große Frage. Aber ich glaube, wir sind schon ganz automatisch Freunde. Mit Höhen und Tiefen und allem, was dazu gehört. Wir gehören zusammen und jeder wird sein Leben lang „der von den Prinzen“ sein.
Henry: Es muss natürlich Freiräume geben, das stellt man eben fest nach 13 Jahren. Wir können nicht alle immer über alles eine Meinung haben. Wir sind ein demokratischer Haufen. Naja, mehr Haufen als demokratisch. (lacht)

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