Beitrag zur Reihe „Soundtrack fürs Leben“ in der Leipziger Volkszeitung, 15.10.2010
Ein Song, pah! Wie soll das denn gehen? Es gibt nicht den einen Song, der mich mein Leben lang begleitet, es gibt Dutzende (oder vielleicht sogar Hunderte). Wenn man Musik gute zwanzig Jahre als – auch beruflichen – Lebensinhalt sieht, ist es unmöglich (und auch irgendwie ungehörig), den alles überstrahlenden Song zu definieren. Jede Situation, jede Stimmung, jeder Tag hat einen anderen. Sie sind einfach alle gleich lebenswichtig.
Aber manche sind natürlich gleicher. „No Culture Icons“ ist der Song, der in 2:20 alles hält, was Rockmusik jemals versprochen hat: ein Ohrwurm ohne Anbiederung, simpel und weise gleichzeitig, kompromisslos laut natürlich, wild und gefährlich. „Hardly art, hardly garbage“ ist eine Textzeile, die man prompt als Lebensmotto wählen kann („Gib mir ein Leitbild!“ würden Laibach dazu sagen), so rotzfrech und trotzig, wie man sich halt so ein Leben außerhalb der profanen Nine-to-five-Arbeitswelt vorstellt. (Ich bin 43, besitze keine Krawatte und höre den ganzen Tag Musik. Ich denke, ich kann mich nicht über mein Leben beschweren.) Und er klingt, gerade weil es an allen Ecken scheppert, holpert und dröhnt, und weil sich hier niemand um das schert, was man gemeinhin einen guten Sound nennt, fantastisch.
Dieser Song, diese Band – The Thermals – geben mir jederzeit das Vertrauen in das Einzige zurück, was ich wirklich glaube: dass Popmusik die Welt ein Stückchen besser machen und Leben retten kann. Wenn es also ein Song sein soll, dann dieser.
Aber wenn mich morgen jemand nach dem Song meines Lebens fragt: Das ist dann natürlich ein anderer. Nicht „irgendein“ anderer, sondern einer, der in diesem Moment der wichtigste ist.