Sound glattgebügelt, Etat zusammengestrichen: MDR Sputnik wurde mit einer Programmkorrektur wieder auf MDR-Maß gestutzt.
Erschienen in Kreuzer 02/2011
»Sympathisch, authentisch und etwas schräg« sollen sie sein, die beiden Moderatorenduos, die seit Januar »Die Sputniker am Morgen« sind. MDR Sputnik hat jetzt auch eine richtige Morgenshow. Es gibt Hitmusik, den Wetterbericht, ein bisschen News, einen Komiker und ganz viel gute Laune. Schräg ist das natürlich nicht, eher ein bisschen unbeholfen, was man allerdings auch wieder sympathisch finden kann. Ein ganz normales Frühstücksradio halt. Für Sachsen-Anhalt.
Sputnik, die kleine Jugendwelle des MDR, wurde 2006 vom großen Kommerz-Schlachtschiff Jump losgelöst, mit eigener Redaktion und eigenem Senderchef ausgestattet. Seitdem war es eine Art letzte Hoffnung für alle im MDR-Einzugsgebiet, die die Hoffnung auf Radio abseits der Dudelfunk-Dröhnung noch nicht vollends aufgegeben hatten. Denn plötzlich war da ein junges Team mit guten Ideen und – so schien es – ausreichend Narrenfreiheit, um die verbreitete MDR-Verdrossenheit zu konterkarieren. Über Antenne empfangbar war das allerdings nur in Sachsen-Anhalt und Leipzig. Aus dieser Not machte man die zweite Tugend: In bis dato nicht erlebter Konsequenz setzte man auf das Internet, streamte dort nicht nur das eigene Programm, sondern etablierte eine eigene Community und ein eigenes Bandportal. Was im Netz passierte, fand den Weg ins Radio und umgekehrt. Gute Musik, der Wille zum Inhalt, zeitgemäß in Szene gesetzt – was Sputnik da machte, wurde allseits aufmerksam beobachtet und hoch gelobt, galt es doch als herausragendes Beispiel dafür, wie man sich heutzutage als Radio positionieren kann.
Das Problem: Der gemeine sachsen-anhaltinische Hörer ließ sich davon nicht überzeugen. Zumindest nicht, wenn man den Zahlen der sogenannten MA glaubt – die alljährlichen Media-Analysen sind die harte Währung im Radiogeschäft – und einer vom MDR in Auftrag gegebenen »Mappingstudie«. Dass in den Universitätsstädten Magdeburg und Halle deutlich mehr zuhörten, spiegelte sich dort nicht wider. Im Februar 2010 holte Hörfunkdirektor Johann Michael Möller dann mit Ulrich Manitz einen beinharten Privatradio-Berater ins Haus. Die neue Order folgte prompt: Mehr Hörer, mehr Sachsen-Anhalt! Außerdem wurde im Zuge allgemeiner MDR-Sparmaßnahmen das Budget von Sputnik gleich um ein Drittel gekürzt. Erstes Opfer: die englischen News, eine der kleinen Extravaganzen, für die man Sputnik schätzen gelernt hatte. Für den Hörer schwerer ins Gewicht fiel allerdings die Neukalibrierung des Sounds im Tagesprogramm. Weniger Titel in der Rotation, dafür mehr und öfter »Hits«, wobei – und das bringt Radiokritiker ganz schnell auf die Palme – die eingesetzten Titel in der Marktforschung vorher auf Akzeptanz getestet werden. Dass die Programmkorrektur mitten in der hochsommerlichen Urlaubszeit quasi als Nacht-und-Nebel-Aktion ablief, erregte zusätzlichen Argwohn.
Was hat der MDR mit seinem kleinen Radio vor? Eine schlüssige Strategie scheint es jedenfalls nicht, mit Sputnik und Jump jetzt wieder zwei ähnlich klingende Wellen zu betreiben. Außer natürlich, man wollte die Sender in nicht ferner Zukunft sowieso wieder verschmelzen. Erschlossen hat sich das Vorgehen nicht einmal dem Senderchef selbst: »Die Frage nach dem Grund stelle ich mir oft, weil Sputnik mit seinen Minifrequenzen nun wirklich nicht das Problem im MDR-Hörfunk darstellte. Ich weiß keine Antwort. Zumal es die eindeutige Verabredung gab, dass Sputnik ein multimedial-experimentelles Jugendkulturprogramm sein sollte und sich dadurch klar von Jump abgrenzte«, sagt Eric Markuse, der Sputnik vor vier Jahren runderneuerte. Im Dezember hatte er genug und kündigte: »Am Anfang stand eine Neupositionierung gar nicht zur Diskussion, sondern eine Kurskorrektur bei der Musik. Dann gewannen Berater und externe Marktforscher die Oberhand, und altes Formatradio-Denken und Quoten-Reflexe hielten wieder Einzug in den Sender.«
Pikantes Detail: Zur Sitzung des Hörfunkausschusses zum Thema Sputnik-Reform wurde Markuse nicht mal eingeladen. Stattdessen war sein Stellverteter anwesend. Der ist jetzt der Senderchef. Reinhard Bärenz ist ein alter Radiohase, ein abgeklärter Profi, der die Kritik an der Marktforschung nicht gelten lässt: »Es tut einem Radiomacher doch gut, mehr zur Verfügung zu haben als Erfahrung und Bauchgefühl.« Die Entscheidung über das Programm hätte ja immer noch ausschließlich die Redaktion. Natürlich verteidigt er auch die große Linie: »Wir müssen ein Radio machen, das akzeptiert wird. Ohne Basis in der Bevölkerung haben wir als öffentlich-rechtlicher Rundfunk keine Existenzberechtigung.«
Ist Sputnik jetzt «Dudelfunk«? Jein. Tatsächlich ist das Tagesprogramm hörbar glattgebügelt. Abends jedoch sind Freiräume geblieben, finden immer noch regionale Bands ein Forum, ist die Musikfarbe bunter. Substanzielle Wortbeiträge gibt es auch noch. Aber – schon wegen der finanziellen Einschränkungen – weniger und auf deutlich niedrigerem Niveau. Ob das auch so bleiben soll, weiß wohl nur MDR-Hörfunk-Chef Möller. Allzu viel Hoffnung sollte man nach der Sputnik-Erfahrung lieber nicht haben.