Die Energie, die Wut, die Melancholie

Thorsten Seif über Buback vor dem Label-Abend mit Kristof Schreuf, F.S.K., 1000 Robota und den Goldenen Zitronen im Centraltheater.

Interview zum Buback-Labelabend; erschienen in der Leipziger Volkszeitung, 4.2.2011

Seit der Gründung vor 23 Jahren zählt Buback zu den renommiertesten Independent Labels des Landes. Die Hamburger haben Absolute Beginner entdeckt, sind heute unter anderem Heimat von Deichkind, Jan Delay oder Tocotronic. Der „Buback Labelabend“ im Centraltheater präsentiert vier bemerkenswerte Bands zwischen System-Rebellion, Pop-Philosophie und Indie-Radau. Im Interview erzählt Geschäftsführer Thorsten Seif über den gemeinsamen Nenner von Jung und Alt, den Erfolg im Musikbusiness und das Tour-Konzept.

Interviewtermin früh um zehn im Büro; das klingt nicht gerade nach Rock’n’Roll.
Naja, ich bin ja auch Vater, da steht man wesentlich früher auf. Aber „normale“ Leute gehen doch eher schon um acht ins Büro, oder?

23 Jahre Buback ist nicht wirklich ein runder Anlass, warum die „Label Tour“?
Auslöser war eigentlich, dass wir letztes Jahr 1000 Robota und Kristof Schreuf veröffentlicht haben, für die es eine gute mediale Präsenz gab. Das hat uns als Label so ein bisschen Selbstbewusstsein gegeben und auf die Idee gebracht, man könnte sozusagen „Jung“ und „Alt“ vereinen und zusammen auf die Bühne bringen. Ein „Labelabend“ wird auch als eine Art Event gern genommen. Nichtsdestotrotz habe ich aber das Gefühl, dass es da eine musikalische und textliche Stringenz gibt von eher jungen Bands wie 1000 Robota bis hin zu F.S.K., die es mittlerweile schon 30 Jahre gibt. Es erschien also interessant, die gemeinsam auf die Bühne zu bringen.

Euer Label steht für musikalisch sehr unterschiedliche Bands. Gibt es den gemeinsamen Buback-Nenner?
Es gibt bei den allermeisten Bands ein starkes Interesse an Text und daran, sich selbst im Text in Frage zu stellen, einen gewissen philosophisch-politischen Ansatz zu haben, über das Verhandeln eigener Befindlichkeiten hinaus zu texten. Das ist es auch, was uns als Label interessiert.

Buback wurde immer als explizit politisches Label angesehen. Lässt du das noch gelten?
Als Label bist du eigentlich nicht politisch, eher als Privatperson. Gerade in Hamburg ist ja derzeit sowohl die Kultur- als auch die Stadtentwicklungspolitik desaströs, wo ich und meine Kollegin auch aktiv sind. Und wir stellen manchmal unsere Infrastruktur für Aktivitäten zur Verfügung. Das vielleicht doch Politische – oder das In-Frage-stellende – an unserer Musik ist das Aufzeigen anderer Perspektiven.

Ihr seid eines der wenigen klassischen „großen“ Hamburger Independent-Labels, die es noch gibt. Wie geht’s Buback denn so?
Der Firma Buback geht’s sogar richtig gut, weil wir halt eine Konzertagentur haben mit Speerspitzen wie Jan Delay, Deichkind oder Samy Deluxe. Damit trägt sich der Laden ökonomisch so ein bisschen. Die Labelsparte ist eher defizitär, würde ich sagen – gehört aber einfach zum Firmenkonstrukt.
Wir haben ja schon 1995 angefangen, die Konzertagentur aufzubauen. Heute wird davon gesprochen, dass man die Verluste im Tonträgergeschäft im Livegeschäft ausgleichen muss, dieses sogenannte „360º-Modell“. Und genau so sind wir aufgestellt, nur dass das nicht die Idee war, weil wir so schlaue Geschäftsleute gewesen wären. Es wollte damals einfach niemand die Absoluten Beginner oder Les Robespierres buchen. Diese Themen waren für die großen Agenturen nicht interessant, kleine gab es noch nicht. Also mussten wir es selbst machen. Man wusste damals nicht, dass das eine Art Vorzeigemodell für die ganze Branche werden würde.

Kann man als Buback-Band von der Musik leben, wenn man nicht gerade Deichkind oder Jan Delay heißt?
Nein, grundsätzlich nicht mehr. Vor zwölf Jahren konnte man mit Plattenverkäufen, Musikverlag und Touren vielleicht noch einigermaßen über die Runden kommen; heute schafft man das eigentlich nicht mehr. Wobei sich bei unseren älteren Bands, wie gerade F.S.K. und den Goldenen Zitronen diese Frage auch nicht mehr stellt.

Wie wird man denn eine Buback-Band?
Wir haben tatsächlich noch nie eine Band wegen einem eingeschickten Demo – heute sind es Links – unter Vertrag genommen. Es waren eher Empfehlungen aus dem Freundeskreis, von einem Studiobetreiber vielleicht oder anderen Leuten, die mit Musik zu tun haben.

Interessiert heutzutage noch irgendjemanden, dass F.S.K. eine erklärte Lieblingsband des legendären Radio-DJs John Peel waren?
Nein, das glaube ich nicht. Man kann das vielleicht nochmal in einem Nebensatz erwähnen, ich bin mir aber sicher, dass die Generation die jetzt Mitte 20 ist, weder mit den Namen John Peel noch F.S.K. etwas anfangen können. Aber ich bin auch nicht indie-sentimental, das ist eben alles sehr vergänglich.

Vor vielleicht fünf Jahren hätte diese Tour komplett in alternativen Clubs wie dem Conne Island stattgefunden, jetzt geht’s vorrangig durch die Theater.
Zum einen gibt es die generelle Annäherung der Institution Theater an die Popmusik, als Versuch einer Art Verjüngungsprozess. Bei uns konkret ist es aber auch so, dass zum Beispiel Carl Oesterhelt von F.S.K. oder Schorsch Kamerun und Ted Gaier von den Goldenen Zitronen viel am Theater machen, für die ist das ein so normaler Kontext geworden, wie es früher das AJZ war. Wir konnten uns in der Tat aussuchen, gehen wir mit diesem Abend in die Institution Theater oder gehen wir ins Conne Island.

Die Theater werden sicher auch besser bezahlen.
Äh … wahrscheinlich ja.

Tut einem Label wie Buback der Spagat ein bisschen weh, wenn man einerseits Die Goldenen Zitronen im Theater spielen lässt, Deichkind aber auch mal bei einer „Jägermeister Rock Liga“? Oder ist das einfach das Business?
Es ist tatsächlich nur Business. Ich hab irgendwann – mit dem Erfolg der Absoluten Beginner – gemerkt, dass auf einmal Marken in’s Spiel kamen. Und ich hab verfolgt, wie sich die Bands erst dagegen positioniert haben, dann hieß es: „Ach, das machen wir jetzt mal.“ Peu à peu hat sich das einem gewissen Zeitgeist angepasst. Letztendlich sind wir auch nur Dienstleister, gerade bei der Bandbreite an Künstlern, die wir betreuen. Da tickt jede Band anders. Unser Job ist es, das Ganze professionell für sie abzuwickeln.

Was erwartet uns denn mit den vier Bands?
Auf jeden Fall sollen die Sets relativ kurz und knackig bleiben! Es wird sicher noch das eine oder andere Entertainment-Einsprengsel von den Künstlern geben. Wir zeigen Videos, die wir gut finden. Es geht um kurzes Repräsentieren – das aber von unserer besten Seite!
Die Reihenfolge haben wir übrigens sozusagen dramaturgisch, nämlich nach Lautstärkefaktor, festgelegt. Es beginnt also Kristof Schreuf, als Letzte spielen die Goldenen Zitronen.

Es ist natürlich eine gewisse Kalkulation: drei Bands für’s gestandene Indie-Publikum, 1000 Robota für’s Jungvolk.
Wobei die Robotas oftmals altklüger sind als die anderen! (lacht) Man muss aber sagen, dass wir selbst gerade von denen einfach so begeistert sind, weil sie etwas darstellen, was wir lange in der Popmusik nicht mehr erlebt haben: diese Attitüde, das Sich-selbst-in-Frage-stellen, den Zweifel – und trotzdem diese Energie, die Wut, die Melancholie. Das hat uns alle ein bisschen an die Zeit erinnert, als – gerade in Hamburg – Popmusik sehr politisch verhandelt wurde.

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