Halle, fast sympathisch

Restintelligenz im grotesken Dunkeldeutschland: Hank Meyer ermittelt wieder

Rezension zu „Stefan Maelck: Tödliche Zugabe“, Berlin, Rowohlt 2007, 208 S. 16,90 €; erschienen in Kreuzer 11/2007

Halle ist die Hölle, klar. Aber solange es Leute wie Hank Meyer gibt, ist vielleicht noch nicht alles verloren. Der ist Radio-DJ und Privatdetektiv und soll aufklären, wer reihenweise die Elite der Hallenser Rockszene mit Curtis Mayfield-Zitaten bestückt und anschließend flugs hinmetzelt. Nebenher wird noch eine Kindsentführung geklärt, Frauen-WG-Erfahrung gesammelt, einer rechtschaffenen Puffmutter unter die Arme gegriffen und ordentlich gesoffen – vorzugsweise „Beton“, Becherovka mit Spuren von Tonic.
Hank Meyer und seine Freunde sind eine der letzten Widerstandszellen menschlichen Verstands und Anstands in „Dunkeldeutschland“, haben immer ein Karl Kraus-Zitat bei der Hand, ihren John Milton gelesen und natürlich – oberste Priorität – den richtigen Song für jede Lebenslage parat. Ausgeteilt wird nach allen Seiten. Der gemeine Besserwessie bekommt genauso vor den arroganten Latz, wie die offensichtlich gemeingefährlich debile, Bild-verseuchte Eingeborenenmasse mit all ihren grässlichen Klamotten und dem kriminell schlechten Musikgeschmack.
Dass ein Krimi von Stefan Maelck nicht unbedingt auf die Werte Suspense und stringente Logik setzt, weiß man aus den bisherigen Romanen des Wahlhallensers. Auch in dieser zweiten Hank Meyer-Geschichte tummeln sich „mehr Typen, als man im Gesamtwerk von Peter Handke je antreffen würde“, geht es um trockene Sprüche und coole Musik, um die trotzige Verweigerung von Katzbuckelei und Karriere, um den Hauch aufrechter Restintelligenz in einem Land, in dem jeder, der lesen kann, schon fast als Wissenselite gilt.
Kurzweilig und urkomisch ist das in Szene gesetzt, mit einer Fülle an absolut lebensechten Halle-Details unterfüttert, geschliffen formuliert ohne besserwisserisch zu sein und selbst in den groteskesten Momenten – von denen gibt es eine Menge – grundsympathisch. Ein Lesevergnügen im eigentlichen Sinne also – wenn man denn einigermaßen kulturkompetent ist und vielleicht nicht gerade nur die Kuschelrock-Sammlung im heimischen CD-Regal hat. Vor dem Lesen unbedingt eine gute Soul-Platte bereitlegen!
Augsburg

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