Elvis, Erich, Erektionen

Alle Stasi außer Zappa: Stefan Maelck schreibt die Popgeschichte neu

Rezension zu „Stefan Maelck: Pop essen Mauer auf“, Berlin: Rowohlt 2006, 158 S., 14,90 €; erschienen in Kreuzer 09/2006

Seit Elvis haben die USA keinen richtigen Krieg mehr gewonnen. Oder wenigstens nicht richtig gewonnen. Schuld ist natürlich der Rock’n’Roll, der sich mit Presley’schem Hüftschwung seinen Weg bahnte. Besser gesagt: mit Prassler’schem Hüftschwung. Elvira Prassler wiederum hatte das legendär bewegliche Körperteil im Zuge einer Geschlechtsumwandlung von Margot Honecker abgestaubt, die Wolf Biermann dann etwas weniger gelenkig flachlegen musste. Der Rest ist Popgeschichte. Elvira – jetzt Elvis – wird zum Superstar, die Jugend des Westens durch Dekadenz und Drogen zersetzt, die asozialen Elemente Thüringens mit Blues benebelt. Nach der Wende kommt Journalist Ludger Bauer dem größten Geheimnis der Stasi auf die Spur: der Erfindung der Popmusik.
Stefan Maelck, in Halle ansässiger Autor und Journalist, hat in seinem zweiten Roman die Geschichte des Pop neu geschrieben; als Verschwörungstheorie. Das Schöne an einer Verschwörungstheorie ist, dass man sie so wunderbar an die Fakten anpassen kann. Und ein Fakt ist ja wohl, dass die Scorpions die Anmutung einer „Mischung aus Gammelfleisch und Vogelgrippe“ haben. Wer konnte so etwas Grässliches erschaffen außer der Stasi? Na also!
Es ist eine wundervoll spinnerte Idee, die Maelck in seinem äußerst vergnüglich zu lesenden Büchlein auftischt. Und gar nicht so abwegig, wie es im ersten Moment scheint. Popstars werden schließlich tatsächlich „gemacht“. Authentizität ist eine Frage der Imagebildung. Maelck ist ein Musikkenner mit scharfem Blick für schlechten Geschmack und Seltsamkeiten. Und deren gibt es viele zwischen Berluc, Warhol und Maffay. Man wundert sich nach dem Lesen dieses Buches über gar nichts mehr. Vor allem nicht über Phil Collins.
Dank Maelck wissen wir jetzt also endlich, wer wirklich am Niedergang des Abendlandes schuld ist. Die Stasi hat ganze Arbeit geleistet. Und dass Dieter Bohlen ein asbestverseuchter Android ist – wer hat es nicht geahnt? Auch im Roboterbau hat die DDR schließlich entscheidende Fortschritte erzielt. Seit Kraftwerk natürlich.
Augsburg

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