Mix mir eine Biografie

DDR-Punk (slight return) – Reden über Feeling B

Rezension zu „Ronald Galenza und Heinz Havemeister: Mix mir einen Drink – Feeling B“; Schwarzkopf & Schwarzkopf 2002, 445 S., 24,90 €; erschienen in Kreuzer 11/2002

„Feeling B waren ein Clan von Chaoten mit angeschlossener Musikcombo.“ Olaf Tost, als Mastermind von die anderen Namensgeber für eine ganze halbgeduldete Endzeit-DDR-Musikszene, über die Punk-Inkarnation des Ostens. Bis heute unvergessen – nicht nur, weil zwei der drei Chaoten heute mit Rammstein alles erreicht haben, was man sich als deutscher Rockmusiker ausmalen kann. Man nimmt Paul und Flake sogar ab, dass sie es nie darauf angelegt hatten. Dass sie immer noch im Innersten die kleinen Jungs sind, die es einfach nur ganz toll finden, in einer Band zu spielen, statt zu arbeiten. 1983 nannte man das „asoziales Verhalten“ und konnte dafür in den Bau gehen.
Gingen sie aber nicht. Statt dessen gaben sie legendär schlechte Konzerte, verkauften selbstgebastelte Ohringe, tranken alles, was was in den Kaufhallen-Regalen habbar war und lebten ein Leben, das sogar für den harten Ost-Verweigerer-Kern unfassbar schien.
„Mix mir einen Drink“ erzählt die Geschichte einer Band, die es im Osten eigentlich gar nicht hätte geben dürfen und die im Westen so nicht mehr möglich war. Besser gesagt: Galenza und Havemeister lassen erzählen. Auf vierhundert Seiten kommen die Beteiligten selbst zu Wort. Natürlich ist das Bild, dass die Erzählungen trotz all ihrer Wahrhaftigkeit zeichnen lückenhaft, subjektiv beschreibend statt objektiv analysierend. Faktensammler werden angesichts des mageren Anhangs nicht viel Freude haben. Und das weinerliche Aljoscha-Gedenk-Intro – der dritte der Band starb vor zwei Jahren an einem Asthma-Anfall – würde eben diesen wahrscheinlich schwer annerven. Insgesamt aber entsteht ein, nur lose zeitlich geordnetes Puzzle, das – neben dem eigentlichen Phänomen Feeling B – einen (faszinierenden Minderheiten-)Zeitgeist greifbar zu machen scheint. Zwei Jungs – Paul und Flake – unter der fast schon tyrannischen Obhut eines 20 Jahre Älteren – Aljoscha – mit einem Schweizer Pass und einem ZK-Vater, der sich in den Ritzen der realsozialistischen Kulissen sein eigenes kleines Kaspertheater inszenierte. Absolut lesenswert für alle, die etwas über Subkultur im Spät-Osten nachlesen wollen. Absolut sehenswert für alle Rammstein-Fans sowieso: Dutzende Paul- und Flake-Fotos aus ihrer Teenager-Zeit. Gabs so noch nie.
Augsburg

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