Mein Leben mit Schweinevogel

Editorialbeitrag in „Schwarwel: Schweinevogel Total-O-Rama“; Holzhof Verlag Dresden, Hrsg. Glücklicher Montag Leipzig, 616 S., ISBN 978-3-939509-86-8, 24,90 Euro

Man kam in Leipzig nicht wirklich an Schweinevogel vorbei. Zumindest nicht ein, zwei Jahre nach dem Mauerfall, wenn man irgendwas mit der „Szene“ zu tun hatte. Die war nicht wirklich unübersichtlich und wenn man in ein paar der angesagten Locations unterwegs war, stolperte man unweigerlich über alles, was in der Stadt Rang und Namen hatte. So, wie eben Schweinevogel. Ich weiß nicht mehr genau, ob meine erste Begegnung mit ihm im „Fischmarkt“ war, der „Messitsch“ oder gar „Liebe, Tod und Teufel“ – jedenfalls war Schweinevogel ein von Anfang an sympathischer Zeitgenosse. Man konnte sich wohl problemlos mit dem knuffigen Kerl identifizieren – faul, vorlaut, verfressen und auf eine angenehme Art fies zu seinen Comic-Kumpeln.
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Nein, meine Suppe ess ich nicht!

Schön ist die Geschichte nicht – aber immerhin aufschlussreich. Wer über die Feinkost, die alternative Genossenschaft in der Leipziger Südvorstadt, schreibt, sollte sich auf einige Abgründe gefasst machen. Ich weiß das, weil ich nach einiger Zeit mal wieder ran sollte. Der Kreuzer erinnerte sich, dass da schon mal jemand im Schlamm wühlen durfte. Also auf ein Neues.

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Paranoia, Amphetamine und Rock’n’Roll

Rockkritik als Katharsis – die leidenschaftlichen Texte der Legende Lester Bangs

Rezension zu „Lester Bangs: Psychotische Reaktionen und heiße Luft“; Edition Tiamat, 400 S., 19,80 Euro; erschienen in Kreuzer Buchmesse-Beilage 03/2009

Da sitzt also dieser ein wenig aufgeschwemmt wirkende Typ mit dem selbst nach zeitgenössischen Kriterien irgendwie lächerlichem Schnauzbart vor einem Lou Reed mit „teigiger Haut“, mit mindestens einer halben Flasche Whisky und werweißwasnochalles intus und versucht, seinen Velvet Underground-Helden mit Fragen nach dessen Drogenkonsum in die Enge zu treiben, während der ihm eine (auch nach damaligen Maßstäben belanglose) Ron Wood-Platte vorspielen will. „Paranoia, Amphetamine und Rock’n’Roll“ weiterlesen

Sag gna!

Leipzigs Comic-Urgestein Schwarwel und der lange Weg zum Schweinevogel-Film

Erschienen in Kreuzer 12/2007

„(Bonbon Planet, Tag)
Knallblauer Himmel mit Schäfchenwolken.
Ein Schmetterling flattert ins Bild und klimpert mit den Wimpern.
Der Schmetterling breitet seine Arme aus und beginnt zu singen.“ *1

Genau genommen pfeift er erst, bevor er singt. Mit einer sturzfröhlichen Stimme, die man nur zu gut kennt, weil man ihr im Osten zu Prinzen-Hochzeiten ums Verrecken nicht entgehen konnte. „Sag gna!“ weiterlesen

Halle, fast sympathisch

Restintelligenz im grotesken Dunkeldeutschland: Hank Meyer ermittelt wieder

Rezension zu „Stefan Maelck: Tödliche Zugabe“, Berlin, Rowohlt 2007, 208 S. 16,90 €; erschienen in Kreuzer 11/2007

Halle ist die Hölle, klar. Aber solange es Leute wie Hank Meyer gibt, ist vielleicht noch nicht alles verloren. Der ist Radio-DJ und Privatdetektiv und soll aufklären, wer reihenweise die Elite der Hallenser Rockszene mit Curtis Mayfield-Zitaten bestückt und anschließend flugs hinmetzelt. „Halle, fast sympathisch“ weiterlesen

„Arm“, klar, aber wo bleibt „sexy“?

Wirtschaft fördert Kultur? Gut! Aber auch Kultur ist Wirtschaft. Und mehr.

Gastkommentar; erschienen in Kreuzer 04/2007

„Rosig sieht die Gegenwart leider nicht aus“, bilanziert Kulturbeigeordneter Georg Girardet das Verhältnis von Kultur und Wirtschaft in Leipzig schlicht nach dem Rückgriff auf „für das Bürgertum des 18. und 19. Jahrhunderts identitätsstiftenden Initiativen“. Jaja, die guten alten Zeiten, in denen „selbstbewusste Kaufleute den Ton angaben“ und „wohltätiges Wirken dem Selbstbild entsprach“. Ach du je … „„Arm“, klar, aber wo bleibt „sexy“?“ weiterlesen

Der Depeche-Mode-Poster-King vom Scherbelberg

Westpakete, Fahnenappell und Kleinmesse: eine Jugend im Leipzig der Achtziger

Rezension zu „Sascha Lange: DJ Westradio“, Aufbau Verlag; erschienen in Kreuzer 03/2007

Eine seltsame Zeit war das. Der Fockeberg war nur als Scherbelberg ein Begriff, das Conne Island hieß nach Altbürgermeister Erich Zeigner, was aber niemanden interessierte, denn man sprach vom Eiskeller, und die wirklich interessanten Bands spielten meist in Kinosälen. „Der Depeche-Mode-Poster-King vom Scherbelberg“ weiterlesen

Here is the news …

Inhalte, Inhalte, Inhalte! Und immer an den Hörer denken! MDR Sputnik erfindet sich neu

Erschienen in Kreuzer 12/2006

Es ist mächtig Betrieb im Hallenser Funkhaus. Zumindest in dem kleinen Teil, der Sputnik vorbehalten ist. Das „gläserne Studio“ ist eigentlich nur ein erdgeschossiges Großraumbüro, vollgestopft mit Schreibtischen – eben musste die kleine Showcase-Bühne für ein weiteres Paar weichen, nur die farbigen Scheinwerfer an der Decke zeugen noch von ihr. Angrenzende Miniproduktionsstudios gibts noch und einen Glaskasten für den Senderchef. Das ist seit ein paar Monaten Eric Markuse und dafür, dass in wenigen Wochen bei Sputnik so ziemlich alles anders als bisher sein soll, wirkt der 44-Jährige erstaunlich gelassen und frisch. „Here is the news …“ weiterlesen

Elvis, Erich, Erektionen

Alle Stasi außer Zappa: Stefan Maelck schreibt die Popgeschichte neu

Rezension zu „Stefan Maelck: Pop essen Mauer auf“, Berlin: Rowohlt 2006, 158 S., 14,90 €; erschienen in Kreuzer 09/2006

Seit Elvis haben die USA keinen richtigen Krieg mehr gewonnen. Oder wenigstens nicht richtig gewonnen. Schuld ist natürlich der Rock’n’Roll, der sich mit Presley’schem Hüftschwung seinen Weg bahnte. Besser gesagt: mit Prassler’schem Hüftschwung. Elvira Prassler wiederum hatte das legendär bewegliche Körperteil im Zuge einer Geschlechtsumwandlung von Margot Honecker abgestaubt, die Wolf Biermann dann etwas weniger gelenkig flachlegen musste. Der Rest ist Popgeschichte. „Elvis, Erich, Erektionen“ weiterlesen

Wie wärs mal mit „Hier“ und „Heute“?

Dieser Kulturentwicklungsplan manifestiert einen überlebten Traditionalismus und hilft Leipzig nicht weiter.
Von Jörg Augsburg

Kommentar; erschienen in Kreuzer 09/2006

„Aus der reichen und weit gefächerten Kulturlandschaft Leipzigs sticht der musikalische Bereich mit seiner bedeutenden Tradition hervor. Dafür stehen Musiker wie Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Robert und Clara Schumann. … Von dieser Tradition ausgehend soll Leipzig weiterhin als Musikstadt entwickelt werden.“ Das – und neben dem viel diskutierten „Ranking“ substanziell nicht wirklich viel mehr – steht im derzeit vorliegenden Entwurf des Kulturentwicklungsplans. Der forciert fatale Entscheidungen und manifestiert unbefriedigende Zustände, ohne grundsätzliche kulturpolitische Defizite aufzuzeigen oder gar in Angriff zu nehmen. „Wie wärs mal mit „Hier“ und „Heute“?“ weiterlesen

Wundertüte Late Night

Von Trash-Niederungen zu Hochkultur-Weihen – der Talk zum Leipziger Show-Boom
Moderation: Augsburg

Erschienen in Kreuzer 04/2006

Entertainment von „Schnapslatte“ bis Karikaturenstreit – die Grenzen zwischen Trash und Feuilleton verwischen sich schnell auf den Show-Bühnen der Stadt. Es gibt eine illustre und vielfältige Szene, der Show-Boom in den Leipziger Clubs erlebt einen ungebrochenen Aufschwung. Das zahlreiche Publikum erfreut sich auch ohne heimischen Fernseher an Talk mit mehr oder weniger prominenten Gästen, bissigen Kommentaren zur Zeit, selbtsdarstellungswilligen Newcomern, an Literatur, Musik und – neuerdings – sogar Kochen. Vier Show-Macherinnen und -Macher unterhalten sich im KREUZER-„Talk“ über das Agieren im Scheinwerfer-Licht, den Umgang mit Gästen, moralische Grenzen und ihre Motivation weitab vom Broterwerb. „Wundertüte Late Night“ weiterlesen

Auf Berufsjugendlicher zu machen, war nie unser Ding

Interview mit der Leipziger Band Die Prinzen

Erschienen in Sächsische Zeitung 11/2004

An den Litfasssäulen sind sie derzeit nicht zu übersehen, am Montag erscheint ihr neues Album „Hardchor“ und gerade stecken sie in den Proben für eine ausgedehnte Deutschlandtour – Die Prinzen sind aktiver denn je. Ein Interview mit Sebastian Krumbiegel und Henry Schmidt. „Auf Berufsjugendlicher zu machen, war nie unser Ding“ weiterlesen

Harmonien für Wohnzimmer und Industriebrachen

Leipzig ist ein Magnet für die deutsche Deep House-Szene.
von Jörg Augsburg

Erschienen in Zürcher Tagesanzeiger 10/2004

Die Spiegelkugel lässt farbige Lichtpunkte über Wände und Gäste tanzen, ab und an verwandelt die Nebelmaschine den Dancefloor in ein schemenhaft-buntes Gewaber, Videofetzen zucken über den Köpfen. DJ Matthias Tanzmann – der heißt wirklich so – legt eine schwarze Scheibe um die andere auf, lässt die Tracks ineinander fließen und erzeugt so den für ihn typischen Sog aus mal dezent tackernden, mal konkret wummernden Beats, minimalistischen Soundschleifen, fragil schimmernden Melodien, einem Hauch Jazz, Discoeinsprengseln und immer wieder äußerst warmherzigen Basslines. So klingt Deep House. „Harmonien für Wohnzimmer und Industriebrachen“ weiterlesen

Boys Don’t Cry

Eine Jugend auf dem Land: Rocko Schamonis „Dorfpunks“

Rezension zu „Rocko Schamoni: Dorfpunks“; Rohwolt Taschenbuch 2004, 208 S., 11 €; erschienen in Kreuzer 03/2004

„Was war wichtiger, Küsse oder Härte? … Härte.“
In Schmalenstedt ist man cool, wenn man mit dreizehn Trecker steuern darf, ein frisiertes Mofa fährt, immer mal auf die Fresse bekommt oder besser noch gibt und sowieso ordentlich säuft. Anfang der Achtziger gibt es nicht viel zu erleben für Teenager in der schleswig-holsteinischen Provinz. Rumhängen, Scheiße bauen, Punk sein. Dorfpunk. Verschwende deine Jugend mit Kuhmist, Meiers Disco, Realschule. „Boys Don’t Cry“ weiterlesen

Solitary Man

Mord und Totschlag, Stasi und Ku-Klux-Clan, Frauen und Drinks – Stefan Maelcks Halle entpupt sich als liebenswerte Loserheimat

Rezension zu „Stefan Maelck: Ost Highway“; Rowohlt Berlin 2003, 219 S.; erschienen in Kreuzer 01/2003

„Lost Songs Found“ heißt die Sendung, mit der Hank Meyer für alle einsamen Seelen den Freitagabend einleitet. Eine Sendung, geschaffen für (oder auch durch) Melancholie und Whisky, weit weg von allem, was der gemeine Hallenser – „Dunkeldeutschland“ galore – normalerweise schätzt. Ganz besonders weit weg von Gerda Lattke, dem Star des mitteldeutschen Blut-&-Boden-„Einserprogramms“. „Solitary Man“ weiterlesen

Mix mir eine Biografie

DDR-Punk (slight return) – Reden über Feeling B

Rezension zu „Ronald Galenza und Heinz Havemeister: Mix mir einen Drink – Feeling B“; Schwarzkopf & Schwarzkopf 2002, 445 S., 24,90 €; erschienen in Kreuzer 11/2002

„Feeling B waren ein Clan von Chaoten mit angeschlossener Musikcombo.“ Olaf Tost, als Mastermind von die anderen Namensgeber für eine ganze halbgeduldete Endzeit-DDR-Musikszene, über die Punk-Inkarnation des Ostens. Bis heute unvergessen – nicht nur, weil zwei der drei Chaoten heute mit Rammstein alles erreicht haben, was man sich als deutscher Rockmusiker ausmalen kann. Man nimmt Paul und Flake sogar ab, dass sie es nie darauf angelegt hatten. Dass sie immer noch im Innersten die kleinen Jungs sind, die es einfach nur ganz toll finden, in einer Band zu spielen, statt zu arbeiten. „Mix mir eine Biografie“ weiterlesen

Sozialethisch desorientierend

„Der revolutionäre Charakter des Nationalsozialismus“, „Spritz ab – Sklavensau“, „Josefine Mutzenbacher“, „Sailor Moon“ – vor der Bundesprüfstelle sind alle gleich

Erschienen in Kreuzer Buchmesse-Beilage 03/2002

Ein Dutzend Leute sitzen um ein paar zusammengestellte Büromöbel, die so etwas wie einen Konferenztisch simulieren. Es ist schon spät geworden, ein bisschen Ungeduld macht sich breit, während der Verlagsanwalt darlegt, warum die Veröffentlichungen seines Klienten keinesfalls auf den „Index“ gehören – die genauso legendäre wie verhasste Auflistung all dessen, was junge Menschen in diesem Land unter keinen Umständen in die Finger bekommen sollen. Willkommen bei der BPjS – der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“. „Sozialethisch desorientierend“ weiterlesen

Unter schwarzer Flagge

Auf dem rechten Weg: Die dunklere Seite der Wave-Gothic-Szene
von Jörg Augsburg

Erschienen in MDR online 06/2000

Man nannte sie Grufties, Knochenlutscher, Schwarzkittel. Die Reaktionen auf die Wave-Gothic-Szene pendelten lange zwischen mitleidigem Belächeln und hämischem Verlachen. Trotzdem wuchs sie in den letzten Jahren stetig, bietet ihren Anhängern inzwischen eine erstaunliche Anzahl an Zeitschriften, spiegelt sich zunehmend in der „normalen“ Musikpresse wider und hat sogar den Sprung in Hitparaden und Musikfernsehen geschafft. „Unter schwarzer Flagge“ weiterlesen